Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 28
Intrigen
ОглавлениеDie Fürsten ohne besondere magische Kräfte, die als bestechlich galten, hatte Annabelle bereits aufgesucht. Sie waren betört und geblendet von ihrem Charme. Keiner stellte sich die Frage, warum sie gekommen war. Ihre Besuche waren weniger schillernd, weniger protzig als gewöhnlich ausgefallen.
Annabelle, die normalerweise ihre Pracht entfaltete wie ein Pfau sein Gefieder, war zurückhaltend und verständnisvoll aufgetreten und hatte sich dabei entsetzlich gelangweilt.
Aber sie hatte einiges erreicht, wie sie glaubte.
Den Fürsten, die aus ihren Untertanen nicht mehr genug herauspressen konnten, um weiterhin zu leben, wie es ihnen zustand, hatte sie Unterstützung in Aussicht gestellt, ohne sich wirklich festzulegen, und mit einigen weniger bedeutenden Kostbarkeiten um sich geworfen wie mit Rosenblättern.
Von den bevorstehenden Wahlen sprach sie nicht. Aber geschickt brachte sie ihre Gastgeber auf das Thema, manipulierte und ließ durchblicken, dass sie die Wahl annähme, wenn man sie drängte. »Eine schwere Verantwortung«, säuselte sie.
Annabelle konnte reizend sein. Die Männer waren hingerissen, ihre Weiber nicht so sehr.
Aber was soll’s, dachte sie geringschätzig, in ihrer Welt hatten die Schwanzträger das Sagen, auch wenn ihr Hirn oft noch kleiner ausfiel als ihre Männlichkeit.
Sie sah hinüber zu Rafael. Er war mit beidem sehr gut ausgestattet, manchmal wünschte sie sich allerdings, sein Gehirn möge etwas weniger gut funktionieren. Sie mochte es gar nicht, wenn er sie, wie jetzt, durchschaute. Er erwiderte ihren Blick und verzog die Lippen zu einem Lächeln, das ihr nicht gefiel. Vor ihm musste sie ihre Gedanken besser verbergen.
Sie gönnte sich schöne, junge Liebhaber, die ihre Söhne sein könnten. Rafael, ihr Stallmeister, Experte von jeder Art von Beritt, war nicht nur Bereiter ihrer Pferde, sondern auch ihr derzeitiger Favorit.
Er saß wie angegossen in seiner weißen Uniform auf einem gewaltigen Schimmelhengst. Hinter ihm zwanzig ausgesucht schöne Pferde, ebenso sorgfältig ausgesucht wie die jungen Feen und Elfen, die sie ritten. Eine Wolke aus fließenden Gewändern und Parfüm. Annabelles Sucht nach absoluter Schönheit war ungebrochen. Sie genoss den Anblick.
Erleichtert betrachtete sie ihr Schloss, das in der Ferne wie eine Fata Morgana erschien. Beim Näherkommen erhob sich nach einer mühevollen Reise vor ihr endlich der honiggelbe Palast mit seinen silbernen Kuppeln. Die goldenen Spitzen funkelten. Kies auf dem Vorplatz, so hell, dass er blendete. Annabelle hörte das heranrauschende Meer.
Manche Fürsten lebten zu primitiv. Sie hatte es im Dienste ihrer Sache ertragen. Aber nun gierte sie nach der Bequemlichkeit, die sie hier erwartete.
Sie dachte an die mehr als luxuriösen Räume der Bäder, die Lulabellen, diese bezaubernd schönen winzigen Feen, die ihr zu Diensten waren und jeden Wunsch von den Augen ablasen, ihre verschwenderisch ausgestatteten Räume, deren hohe Fenstertüren den Blick auf weißen Sand und Meer freigaben.
Ihre Silberfüchse begrüßten sie. Sie streifte die Handschuhe ab und warf die Reitgerte von sich.
»Kümmere dich um mein Pferd«, wies sie Rafael an. Sie nickte ihm zu und wandte sich ab.
Er blickte ihr nach, als sie die halbrunde Freitreppe emporschritt. Das Rudel Füchse folgte ihr.
Er wusste, sie war ungeduldig. Sie wartete auf Leathan. Und sie wartete nicht gerne. Würde ihr Bruder da sein? Er hatte Boten geschickt. Die Vorbereitungen für eine Erweiterung seiner Felsenstadt nähmen ihn in Anspruch.
Rafael hatte noch Annabelles schneidende Stimme im Ohr, mit der sie den Boten abkanzelte: »Was ist denn nun daran so wichtig. Diese grässliche Stadt auch noch zu vergrößern ist so unnötig wie eine Nacht ohne Sex.«
Er grinste, hob die Reitgerte auf und nahm ihre Stute am Halfter. Ja, die Sache mit dem Sex, die schöne Annabelle war, nun ja, unersättlich.
Jetzt lag sie im prächtigsten der Ruheräume der Bäder, umgeben von den Lulabellen, die ihr den neuesten Klatsch ins Ohr flüsterten.
Die kleinen buntgeflügelten Feen flogen überall im Schloss herum. Ohren und Augen immer bereit, alles zu hören und zu sehen. Auch in den intimsten Momenten konnte man sicher sein, dass eine von ihnen in der Nähe war. Und zuverlässig versorgten sie Annabelle mit ihren allergeheimsten Erkenntnissen.
Es duftete nach Minze und Rosmarin.
Auf einem Tischchen vor ihrem breiten Ruhebett lockte eine Schale mit Leckereien: Marzipan, Schokolade, Krokant und kandierten Veilchen.
Sie streckte eine Hand nach einem hauchzarten Kristallkelch aus. Prickelnde Perlen auf ihrer Zunge.
Schläfrig betrachtete sie die exquisiten Farben und Formen an den Wänden. Kräftige Grün- und Blautöne, unterbrochen von zarten Silberstreifen, bildeten ein symmetrisches Muster, das sich über die kühn gebogenen Tonnengewölbe fortsetzte. Durch die schmalen Öffnungen zwischen erdbeerfarbenen Säulen strömte eine milde Meeresbrise herein.
Die Stimmen der Lulabellen erreichten sie kaum mehr.
Erst als Leathans Name fiel, wurde sie hellwach.
»Er ist auf dem Weg hierher?«
»Man hat ihn gesehen. Er reitet mit einer Hundertschaft Elfen am Krater entlang.«
Also war ihr Bruder bereits in der Lichten Welt. Sie erhob sich, warf ein beinahe durchsichtiges Gewand über und mit Befehlen um sich. Sie würde ihn umgarnen wie die Fürsten, die sie besucht hatte. Sie wollte keinen Verdacht in ihm aufkommen lassen.
Er sollte die schönsten Feen zu seiner Gesellschaft bekommen, ein Festmahl. Sie würde ein Turnier für ihn und seine Elfen ausrichten.
»Beeilt euch, alles muss vorbereitet sein, wenn der Fürst ankommt.«
Und die Lulabellen beeilten sich, sie schwirrten aus, gaben Annabelles Befehle an Elfen und Feen weiter. Der Palast verwandelte sich in einen Bienenstock kurz vor dem Angriff eines Hornissenschwarms.
Seit Leathan das Medaillon verloren hatte, vermisste er dessen Magie. Er hätte fliegen können, was ihn Kräfte kosten würde, die er bei seiner Schwester sicher brauchte.
Sich mit seinen Elfen zu präsentieren, wäre der größere Auftritt. Annabelle sollte wissen, wer das Sagen hatte. Immerhin hatte er einige Fürsten bewogen, sich auf seine Seite zu stellen. Er war mit deren Beteuerungen abgereist, ihn zu wählen. Bewogen war ganz sicher nicht das richtige Wort, seine Mund verzog sich zu einem süffisanten Lächeln.
Diese Kerle wussten, dass er, Leathan, seine Drohungen wahrmachen würde. Er kannte ihre Geheimnisse, und seine schwarzen Elfen stellten eine mächtige Bedrohung dar. Ihr martialisches Auftreten, ihre unbewegten Gesichter verrieten, dass sie mit unverhohlener Härte gegen jeden vorgehen würden, der ihrem Fürsten nicht folgte. Leathan war grausam und wirkte furchterregend. Er kam nicht mit Charme und Geschenken wie Annabelle, er war kein Diplomat, aber seine Drohungen waren durchaus wirkungsvoll.
Während Annabelle auf die Ankunft ihres Bruders wartete, dachte sie an ihre Besuche bei den Fürsten zurück. Mit keinem Wort hatte sie erwähnt, dass Leathan der Ersatz für Leander sein könnte.
Im Gegenteil, sie hatte in ihre Köpfe die Idee gepflanzt, sie selbst und Leander, der ja schon jetzt mit Magalie das Medaillon teilte und damit die größte Macht in der Anderswelt besaß, könnten die geeigneten Partner sein.
Sie hatte Leander einmal geliebt. Seine Ablehnung hatte sie nie verwunden und ihre Hoffnung, ihn eines Tages doch noch für sich zu gewinnen, nie ganz aufgegeben. Die Liebe seines Lebens war Magalie, bis er Eliana fand. Ein Weib, das ihm zwölf Kinder gebar, aber in Annabelles Augen wenig aufregend war.
Eine Bruthenne, dachte sie geringschätzig.
Sie würde ihm eine andere Welt zeigen, eine Welt voller Glamour, Schönheit, Reichtum und Macht. Sie hatte nicht die Absicht, mit ihrem Zwillingsbruder die Macht zu teilen.
Leathan näherte sich Annabelles Fürstentum. Sein schönes männliches Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Hinter ihm stoben seine Jäger ohne Rücksicht über Felder und Wiesen, vorbei an Gärten und durch kleinere Dörfer. Verschreckte Kinder flüchteten in die Häuser, Hühner flogen auf, Türen schlossen sich, wenn die wilde Horde vorbeikam.
Es roch nach sonnendurchglühtem Heu, die Ernte war in vollem Gange. Annabelles geordnete Welt war ihm zuwider. Es reizte ihn, sie in Unordnung zu bringen. Er verstand nicht, wie sie mit ihren Augen, die ebenso violett funkelten wie seine, in dieser irritierenden Helligkeit leben konnte. Ihn machte dieses Licht aggressiv, unaufmerksam und nervös.
Die Aussicht, mit seiner Schwester zusammen endlich die Macht über die Anderswelt zu gewinnen, war verlockend. Wenn der alte Herrscher nicht beschlossen hätte, diese Macht an andere weiterzugeben, hätten er und Annabelle längst seine Nachfolger sein können.
Aber nein, der Alte fand, dass seine Kinder nicht die geeigneten Nachfolger wären. Sein Gesicht spiegelte Zorn auf den Vater und Cybill, die sich beide gegen ihn und seine Zwillingsschwester entschieden hatten. Auch seine Mutter, Maia, hatte kein gutes Wort für sie beide eingelegt. Nun gut. Seinen Vater gab es nicht mehr.
Jetzt konnten sie für ihre Wahl kämpfen. Auch wenn er seine Schwester hasste, musste er doch zugeben, dass sie intrigant und klug genug war, einige Fürsten auf ihre Seite zu ziehen. Er kannte sie. Ihre Magie und Schlauheit, gepaart mit seinem Wissen und seinen Drohungen, Geheimnisse preiszugeben, sollten ausreichen, um genügend Wähler für sich zu gewinnen.
Die Züge des Fürsten entgleisten kurz. Annabelle hatte ihn oft genug gedemütigt. Wenn er erst einmal ein Teil des Medaillons besaß … wer sollte ihn daran hindern, sich selbst als den einzigen Herrscher auszurufen? Er würde einen Weg finden, auch den zweiten Teil des Medaillons an sich zu bringen.
Er dachte, Gesetze kann man ändern, wenn es nicht anders ginge, eben mit Gewalt.
Seine Elfen waren kriegslüstern. Wer sich gegen sie zu wehren versuchte, wurde niedergemäht. Annabelles Schönlinge in ihren weißen Gewändern mit Blut zu besudeln, wäre … Er lächelte. Es war das Lächeln einer Muräne.
Der Fürst der Schattenwelt trieb seinen Hengst an.