Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 18

He­xen

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Maia sah be­un­ru­higt zum Him­mel auf. Dort wuch­sen dunk­le Blü­ten im Schim­mer des vi­o­let­ten fah­len Him­mels­kör­pers. Sie brei­te­ten sich aus, wur­den bei­na­he schwa­rz und san­ken über der Fel­sen­burg.

He­xen, dach­te sie, das kön­nen nur die He­xen sein. Maia trieb ihre Stu­te an. Nach­dem sie die Ka­ra­wa­ne der Ver­trie­be­nen si­cher in die Ka­ta­kom­ben ge­führt und sie un­ter ih­ren ma­gi­schen Schutz ge­stellt hat­te, war sie auf dem Weg zur Fel­sen­burg.

Maia fürch­te­te sich nicht in die­sem Ne­bel­wald, ob­wohl hin­ter je­dem der dicht ste­hen­den Bäu­me eine an­de­re Ge­fahr lau­ern konn­te. Auch die Schre­ckens­ge­stal­ten aus dem La­by­rinth trie­ben hier ihr Un­we­sen. Maia war eine der Töch­ter des letz­ten Fürs­ten der Schat­ten­welt, mit der Ma­gie der dunk­len Macht aus­ge­stat­tet. Nein, nicht die grau­sa­men We­sen ih­rer Welt fürch­te­te sie, Maia fürch­te­te sich viel mehr da­vor, was sie in der Burg ih­res Soh­nes er­war­te­te. Dass die He­xen flo­gen, war ein si­che­res An­zei­chen da­für, dass es Är­ger gab.

Lea­than wür­de sich be­mü­hen, so schnell wie mög­lich Macht und Au­to­ri­tät zu­rück­zu­er­obern. Sein Ge­sicht, sei­ne Wür­de wie­der­zu­er­lan­gen wäre ihm obers­tes Ge­bot. Die De­mü­ti­gung, Ge­fan­ge­ner der Le­ben­den Stei­ne ge­we­sen zu sein, wür­de ihn um­trei­ben. Je tie­fer ihn die Er­nied­ri­gung durch die Fürs­tin der Lich­ten Welt, Ma­ga­lie, ge­trof­fen hat­te, des­to gna­den­lo­ser wür­de sei­ne Ra­che aus­fal­len.

Ihre ei­ge­ne Auf­ga­be war es im­mer ge­we­sen, den Scha­den, den ihr Sohn an­rich­te­te, in Gren­zen zu hal­ten. Maia seufz­te tief auf. Eine schwe­re Auf­ga­be, bei der sie sich nie­mals of­fen ge­gen Lea­than stel­len durf­te.

Sie dach­te an ihre Toch­ter. An­na­bel­le konn­te ihr nicht ver­zei­hen, dass sie mit Lea­than in des­sen Welt leb­te.

»Du hast ihn mir im­mer vor­ge­zo­gen.«

Die­se Wor­te konn­te sie noch hö­ren. Hin­ter An­na­bel­les un­ter­kühl­ten Fas­sa­de ver­barg sich ein ei­fer­süch­ti­ges Kind. Sie hat­ten nie wie­der dar­über ge­spro­chen.

An­na­bel­les Gier nach Schön­heit und Be­sitz glich Lea­thans Gier nach Macht.

Maia wand­te ihre Auf­merk­sam­keit wie­der ih­rer Um­ge­bung zu. Sie hat­te die Un­ter­stadt er­reicht, und wie Na­than vor ihr sah auch sie die Ver­än­de­run­gen. Lea­than hat­te nicht ge­zö­gert zu han­deln. Sei­ne Art zu re­gie­ren, in­dem er Furcht und Schre­cken ver­brei­te­te, war of­fen­bar un­ver­än­dert.

Cy­bill, ih­rer Schwes­ter, war es zu ver­dan­ken, dass nicht Mai­as Kin­der das Zei­chen der Macht tru­gen, son­dern Ma­ga­lie und Le­an­der.

Le­an­der. Sie lä­chel­te. Le­an­der war der Fürst ei­nes schö­nen hel­len Lan­des, in dem buch­stäb­lich Milch und Ho­nig flos­sen, dunk­le Trau­ben an den Hän­gen wuch­sen und sil­ber­blätt­ri­ge Oli­ven­bäum­chen auf grü­nen Wie­sen Früch­te tru­gen.

Ma­ga­lie und Le­an­der be­sa­ßen zu­sam­men die Macht über den dunk­len und den hel­len Teil der Feen­welt. Dank ei­nes Me­dail­lons, das aus zwei Tei­len be­stand. Ei­nem Schmuck­s­tück von un­fass­ba­rer Schön­heit. Im­mer muss­ten sich zwei Fürs­ten die Ober­ho­heit über die ge­sam­te An­ders­welt tei­len.

Maia fürch­te­te, dass Lea­than und An­na­bel­le, ihre Kin­der, die ge­gen­sei­ti­ge Ab­nei­gung über­win­den könn­ten, um das Me­dail­lon wie­der­zu­be­kom­men.

Jetzt hat­te sie es plötz­lich ei­lig. Sie muss­te mit Lea­than spre­chen. Ihre In­tu­i­ti­on hat­te sie sel­ten im Stich ge­las­sen.

Sie fand ih­ren Sohn in der Hal­le, wo er mit den El­fen die Jagd für den nächs­ten Tag be­sprach. Maia hör­te die er­reg­ten Stim­men sei­ner El­fen.

»Wir ha­ben ihn ge­se­hen, Lea­than. Nicht weit von hier. Der wei­ße Hirsch ist wie­der da.«

Seit lan­ger Zeit ver­folg­te Lea­than das ele­gan­te Tier. Es war schnee­weiß und be­saß ein ge­wal­ti­ges Ge­weih. Sei­ne Hufe schie­nen kaum den Bo­den zu be­rüh­ren. Lea­than woll­te den Hirsch er­le­gen, er muss­te ihn ha­ben, um je­den Preis. Zu oft war er ihm ent­wischt.

»Mor­gen wer­de ich ihn stel­len.«

Ihr Sohn lieb­te Na­tur nur dann, wenn er auf sie schie­ßen konn­te. Er be­rausch­te sich ganz of­fen­sicht­lich an der Vor­stel­lung, das schö­ne Tier end­lich in sei­nem Blut lie­gen zu se­hen.

Als Maia die Hal­le be­trat, er­ho­ben sich die El­fen.

»Maia.«

Sie nick­te ih­nen zu. »Lea­than, ich möch­te dich spre­chen! Al­lein.«

Kaum wa­ren sie au­ßer Hör­wei­te sei­ner El­fen, be­gann sie. »Ich habe die lee­ren Pa­läs­te ge­se­hen.«

Lea­than wur­de so­fort ag­gres­siv. »Na­tür­lich. Es hät­te mich ge­wun­dert, wenn nicht. Aber es ist mei­ne Ent­schei­dung, an der du dir jede Kri­tik spa­ren kannst.«

»Das war kei­ne Kri­tik, son­dern eine Fest­stel­lung. Und gleich­zei­tig eine Fra­ge. War­um sind sie nicht mehr be­wohnt?«

Die Wa­chen ris­sen die Tü­ren auf, als Maia und Lea­than sei­ne Räu­me er­reich­ten.

»Seit wann stellst du Wa­chen auf?«, frag­te Maia ver­wun­dert.

»Seit ich zu­rück bin. Wer weiß, was mich hier er­war­tet. Ich war lan­ge weg.«

»Und jetzt glaubst du, dass Ri­chard dir an den Kra­gen will?« Maia lä­chel­te.

Lea­than ließ sich hin­ter ei­nem schwe­ren Tisch nie­der und sah sie fins­ter an.

»Ich hat­te be­reits einen Sohn, der sich ge­gen mich ge­stellt hat.«

Maia tat, als ob sie ihn nicht ge­hört hät­te. »Be­ant­wor­te mir mei­ne Fra­ge. War­um sind die Pa­läs­te wie­der un­be­wohnt?

»Weil die­ses Ge­würm nichts dar­in zu su­chen hat. Die­se Ver­sa­ger sol­len sich in den Rat­ten­lö­chern ver­krie­chen, aus de­nen sie ge­kom­men sind.«

»Ich bit­te dich, mein Sohn. Es sind dei­ne Un­ter­ta­nen, von de­nen du sprichst. Wenn du ih­nen ein bes­se­res Le­ben gibst, wer­den sie …«

»Was wer­den sie, mich lie­ben?« Er knall­te den Bier­krug auf den Tisch und höhn­te: »Du wirst auf dei­ne al­ten Tage zu ei­nem sen­ti­men­ta­len al­ten Weib. Ich brau­che kei­ne Lie­be, sie sol­len mir ge­hor­chen und mich fürch­ten.«

Maia wand­te sich ab. Ihr Sohn war mit den Jah­ren im­mer mehr zum Ty­ran­nen ge­wor­den. Und es stimm­te, sie wur­de sen­ti­men­tal. Auf dem Weg zu den Kü­chen der He­xen stieß sie bei­na­he mit Na­than zu­sam­men. Er nahm sie am Arm.

»Komm, ich habe Neu­ig­kei­ten für dich. An­na­bel­le ist hier ge­we­sen.«

»Ja«, sag­te sie müde.

An­na­bel­les Be­such über­rasch­te sie nicht. Sie hat­te es be­fürch­tet und ge­ahnt. Ihre Kin­der wa­ren zwar ver­fein­det, aber die Gier schien sie zu­sam­men­zu­schwei­ßen. Aber es kam schlim­mer und weit­aus schnel­ler.

»Lot­te, Faith’s jüngs­te Toch­ter, ist ent­führt wor­den.«

Maia sank auf eine Bank. Sie sah sich um. Der Raum war groß, spär­lich mö­bliert und so hell, wie es in die­ser fa­rb­lo­sen Welt eben ging.

Oh, nein. In sei­nen Au­gen las sie, dass er die Wahr­heit sprach. Maia er­hob sich, straff­te die Schul­tern, raff­te die Rö­cke und eil­te über die dunk­len Flu­re. Na­than blieb, wo er war. Das sind Wei­be­ran­ge­le­gen­hei­ten, dach­te er und spitz­te die Oh­ren. Der schril­le Laut, der ihm gleich dar­auf in die Oh­ren fuhr, ließ ihn wün­schen, er hät­te es nicht ge­tan.

Die Kü­che der He­xen ver­wan­del­te sich in einen wah­ren He­xen­kes­sel. Die Feu­er lo­der­ten bis zur De­cke, als Maia die Tür auf­riss. Eine jun­ge Hexe riss er­schreckt einen hei­ßen Topf vom Herd. Ekel­haft stin­ken­der In­halt er­goss sich über einen Zwerg. Sein Schmer­zens­schrei wur­de von der ho­hen De­cke zu­rück­ge­schleu­dert und gleich dar­auf über­tönt vom Kra­chen des Eis­en­top­fes auf dem Stein­fuß­bo­den. Dem Zwerg war nicht mehr zu hel­fen, er lös­te sich be­reits in Staub auf. Einen zwei­ten pack­te Maia am Kra­gen und warf ihn zur Tür hin­aus. Ihre Wut war gren­zen­los, wie weg­ge­wischt ihre üb­li­che Be­herrscht­heit. Sie war kurz da­vor, die ge­sam­te Kü­che ab­zu­fa­ckeln.

»Wo ist Si­be­ria«, fuhr sie eine vor Furcht er­starr­te jun­ge Hexe an.

»Ich, ich weiß nicht.« Sie stot­ter­te.

Aber Maia hör­te sie schon nicht mehr. Sie rann­te den Flur ent­lang, sah nicht die pla­ken­den Fa­ckeln an den Wän­den, stieß Trol­le zur Sei­te und stürz­te durch die un­be­wach­te Flü­gel­tür in Lea­thans rie­si­gen Emp­fangs­raum. Er war leer.

Die Fel­sen­burg war groß wie eine Stadt. Nie­mand wuss­te ge­nau, wie vie­le Räu­me, Hal­len und Kam­mern es hier gab. Ge­mä­cher, Ver­samm­lungs­räu­me und Säle zu zäh­len war kei­nem je ge­lun­gen. Wenn die Klei­ne hier ver­steckt wor­den war, konn­te es lan­ge dau­ern, bis sie her­aus­fand, wo. Wenn sie über­haupt hier war.

Hät­te sie nicht, als sie mit ihm sprach, be­mer­ken müs­sen, dass Lea­than et­was im Schil­de führ­te? Aber Maia hat­te nichts ge­spürt. Das Ge­fühl, dass Lea­than nichts von die­ser Ent­füh­rung wuss­te, ver­dich­te­te sich. Ob Si­be­ria ei­gen­mäch­tig ge­han­delt hat­te? Mit ihr war nicht zu spa­ßen, und ihre Wor­te, nach­dem Lea­than ih­ren ge­mein­sa­men Sohn ge­tö­tet hat­te, klan­gen fürch­ter­lich: »Der Höl­le Ra­che kocht in mei­nem Her­zen … Hört Ra­che­göt­ter, hört der Mut­ter Schwur!«

Si­be­ria war al­les zu­zu­trau­en.

Faith und Leathan

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