Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 9

Dunk­les Moor

Оглавление

Ri­chard sah sich nach sei­nen Ge­fähr­ten um. Un­durch­dring­li­che, sta­che­li­ge Weiß­dorn­he­cken, Rie­sen­blät­ter­knol­len­pil­ze, schwa­r­ze gif­ti­ge Toll­kir­sche, tote Stäm­me, um die sich Baum­schlan­gen wan­den, gif­ti­ge Mam­bas im Däm­mer­licht. Der Schrei der Käuz­chen im Dun­keln war un­heim­lich. Dies war sei­ne Welt, die Welt sei­ner Kind­heit, die er eben­so we­nig lieb­te wie sei­nen Va­ter.

Er war so oft von ihm ge­zwun­gen wor­den, Din­ge zu tun, die er nicht woll­te, die er ver­ab­scheu­te. Er dach­te an die Bä­ren­hatz, an Aus­peit­schun­gen, die aus ei­nem klei­nen Jun­gen einen Mann ma­chen soll­ten. Der kal­te Fürst die­ses dunk­len Rei­ches, ein Elf von gro­ßer ma­gi­scher Kraft, war ge­walt­tä­tig und si­cher ei­ner der am we­nigs­ten ge­lieb­ten, ja, ei­ner der grau­sams­ten Herr­scher der letz­ten Jahr­hun­der­te.

Ei­ni­ge der El­fen, die ihn ins Moor be­glei­te­ten, hat­ten schon Lea­than ge­dient. Aber die Mehr­zahl der Män­ner sei­nes Va­ters war nach dem Mas­ken­fest zu­sam­men mit ihm von Ma­ga­lie auf die Le­ben­den Stei­ne ge­bannt wor­den. Auch Kas­tor, ihr An­füh­rer.

Ri­chard fürch­te­te die Rü­ck­kehr Lea­thans nicht so sehr für sich selbst, er fürch­te­te für das, was er ge­schaf­fen hat­te. Die Dun­kel­welt war in Ab­we­sen­heit des Fürs­ten ein we­nig bes­ser ge­wor­den. Das wür­de sei­nem Va­ter ganz und gar nicht ge­fal­len.

Co­ro­ne, sei­ne Stu­te war ner­vös. Die Rei­ter hiel­ten sich dicht hin­ter ihm. Er hat­te sie ge­warnt: »Ein falscher Tritt kann für je­den von uns das Ende be­deu­ten. Und hal­tet nie­mals an, wenn die Moor­wei­ber euch lo­cken. Auch sie tra­gen den Tod in sich. Ihr wür­det ster­ben.«

Ri­chard ritt ans Ende der Ka­val­ka­de. Bis jetzt hat­ten sie Glück ge­habt. Ei­ni­ge sei­ner Be­glei­ter wa­ren noch nie hier ge­we­sen. Er woll­te si­cher­ge­hen, dass sie sich an die Vor­schrif­ten hiel­ten. Es war ab­so­lut not­wen­dig, kei­nen Schritt von die­sem Weg ab­zu­wei­chen. Das Stöh­nen der To­ten im Moor be­glei­te­te die Rei­ter kla­gend und schau­e­r­lich zu­gleich. Hier war kei­ner, der sich nicht wünsch­te, wo­an­ders zu sein. Ri­chard spür­te die An­we­sen­heit der Tod­ge­weih­ten, die in ih­ren pa­pier­dün­nen Häu­ten den Le­ben­den nach­stell­ten, um ih­ren Atem zu trin­ken. Das we­ni­ge Licht ver­lor sich im Schlamm.

Der fast un­hör­ba­re Flug der wei­ßen Eule über ihm ließ ihn auf­bli­cken. Ate­na lan­de­te auf ei­nem ab­ge­stor­be­nen Baum am Ran­de des Weges.

»Ihr müsst vor­sich­tig sein. Ich habe die Mo­ri­tu­ri ge­ro­chen. Sie sind in der Nähe.«

Er nick­te und sah nach vor­ne, wo Eter­ni­ta mit zwei ih­rer Schwes­tern zwi­schen den El­fen ritt. Er hat­te die He­xen we­gen ih­rer Heil­küns­te mit­ge­nom­men, re­de­te er sich ein. In Wahr­heit mach­te er sich Sor­gen, dass sei­ne ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten nicht aus­reich­ten, sich und sei­ne Män­ner zu schüt­zen.

»Schnel­ler, be­eilt euch.«

Ri­chard trieb Co­ro­ne vor­wärts, ga­lop­pier­te an sei­nem Tross vor­bei wie­der an die Spit­ze des Zu­ges. Aber er blieb wach­sam, ach­te­te auf den Weg.

Der Ge­stank der Tod­ge­weih­ten stieg jetzt al­len in die Nase. Einen der jün­ge­ren El­fen pack­te das Grau­en. Er über­hol­te Ri­chard und zwang den Rap­pen, der vol­ler Furcht nach hin­ten aus­trat, vor­wärts. Der Jun­ge stürz­te und lan­de­te im Mo­rast.

Ri­chard zü­gel­te Co­ro­ne. In ei­ner flie­ßen­den Be­we­gung sprang er vom Pferd, schnapp­te sich einen der her­um­lie­gen­den Äste und warf sich mit weit vor­ge­streck­ten Ar­men auf den Bauch. Der Bur­sche steck­te bis zu den Hüf­ten im Moor. Er starr­te wie pa­ra­ly­siert ins Lee­re. Ri­chard brüll­te. »Nimm den Stock, ver­dammt noch mal. Wach auf.«

Un­ter ihm blub­ber­te es, der stin­ken­de Tüm­pel leck­te be­reits an sei­nen Ar­men. Ate­na sah Ri­chards Not. Er woll­te nicht los­las­sen, sei­nen Ge­fähr­ten ret­ten. Welch ein Idi­ot, dach­te die Eu­le­nel­fe. Ri­chard wird mit ihm un­ter­ge­hen.

In we­ni­gen Mi­nu­ten wäre der jun­ge Elf im Mo­rast ver­sun­ken. Sie flog schnell und tief, schlug dem Kerl ihre Flü­gel um die Oh­ren.

»Be­weg dich, du Pin­sel«, kreisch­te sie. »Oder willst du, dass dein Fürst mit dir im Moor ver­sinkt?«

End­lich griff der Jun­ge zu. Mit letz­ter Kraft zog Ri­chard den Ast zu sich her­an. Ver­schlammt, aber am Le­ben, zerr­te er den Jun­gen aus dem Sumpf.

»Du hast gut dar­an ge­tan, Eter­ni­ta mit­zu­neh­men«, hör­te er Ate­n­as raue Stim­me, als er wie­der zu Atem kam. Sie hat die Mo­ri­tu­ri ab­ge­wehrt. Das nächs­te Mal lässt du den Kerl im Moor. Es ist un­nö­tig, sich in Ge­fahr zu brin­gen.«

»Dan­ke, Ate­na, für dei­ne Hil­fe.« Er grins­te.

Sie brum­mel­te un­wil­lig. Er hör­te Wor­te wie, er­sau­fen las­sen und un­be­lehr­bar.

Wie alle We­sen der An­ders­welt war auch sie der An­sicht, dass man dem Moor las­sen soll­te, was sich dort hin­ein ver­irr­te. Wer so dumm war, je­man­den ret­ten zu wol­len, wur­de meist selbst ein Op­fer.

Aber es war un­ge­schrie­be­nes Ge­setz, dass der Ge­ret­te­te und der Ret­ter für im­mer für­ein­an­der ver­ant­wort­lich wa­ren. Von nun an war es Ri­chards Pflicht, das Le­ben des Jün­ge­ren zu schüt­zen und um­ge­kehrt. Sie wa­ren von nun an un­um­kehr­bar Brü­der.

Von den Moor­wei­bern war nichts zu se­hen.

Die Ru­i­ne, die sie Tage spä­ter aus der Fer­ne er­blick­ten, wuchs schein­bar mit je­dem Me­ter, den sie zu­rück­leg­ten. Eine lan­ge Rei­he schnee­wei­ßer Bö­gen bil­de­te die äu­ße­re Mau­er. Ei­ner nach dem an­de­ren wölb­te sich vor ih­ren un­gläu­bi­gen Bli­cken em­por. Je nä­her sie ka­men, des­to mehr wur­de die Ru­i­ne zu ei­nem prot­zi­gen Pa­last. Aus brö­ckeln­den Stei­nen scho­ben sich acht schlan­ke Tür­me. Am Ran­de des Wal­des hob Ri­chard die Hand.

Nur noch die Ebe­ne lag zwi­schen ihm und dem ge­wal­ti­gen Bau. Der Weg war un­eben und ge­fähr­lich. Tie­fe Lö­cher wech­sel­ten mit manns­ho­hen Fels­bro­cken und feuch­ten Mul­den. Die Tie­re konn­ten je­der­zeit stür­zen.

»Ihr bleibt hier. Ich wer­de …«

»Nein, Ri­chard. Ich ken­ne den Park, der den Pa­last um­gibt. Und jetzt am Abend wird sich nie­mand über eine Eule wun­dern.«

Ohne auf sei­ne Ant­wort zu war­ten, flog Ate­na hoch. Nach we­ni­gen Au­gen­bli­cken war sie in der Däm­me­rung ver­schwun­den.

Faith und Leathan

Подняться наверх