Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 19

Hass

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Einen Mo­ment lang stand Ri­chard wie er­starrt, als der dunk­le Schat­ten über Lot­te und Os­kar fiel. Er muss­te hilf­los zu­se­hen, wie die bei­den vor sei­nen Au­gen ver­schwan­den. Nach dem ers­ten Schock has­te­te er zu den Glas­häu­sern, schob die Bo­den­plat­ten aus­ein­an­der, stürz­te die dunk­len Trep­pen­stu­fen hin­un­ter und ge­lang­te durch den feuch­ten Tun­nel in den Brun­nen­schacht. Er frag­te sich nicht, wer für die Ent­füh­rung sei­ner Toch­ter ver­ant­wort­lich war. Lea­thans be­lieb­tes­te Zwangs­maß­nah­me. Nur sein Va­ter konn­te da­für ver­ant­wort­lich sein. Sie­den­der Hass brei­te­te sich in ihm aus. Wie konn­te er es wa­gen, und was bezweck­te er da­mit?

Sei­ne Fin­ger blu­te­ten, nach­dem er sich an den ros­ti­gen Ei­sen­klam­mern im In­ne­ren des Schachts hin­auf­ge­zo­gen hat­te. Der Platz, der ihn oben er­war­te­te, war nicht groß. Die Her­ren­häu­ser, die ihn um­rahm­ten, wirk­ten umso ge­wal­ti­ger. Der klei­ne Markt­platz schien sich un­ter der Über­macht der Ge­bäu­de zu du­cken wie ein furcht­sa­mes Tier.

Die Res­te ei­nes her­un­ter­ge­kom­me­nen Zir­kus stan­den noch. Ver­kohl­te Wa­gen, ein um­ge­kipp­tes Kin­der­ka­rus­sell, des­sen zer­bro­che­ne höl­zer­ne Pfer­de ihn aus lee­ren Au­gen­höh­len an­starr­ten. Zelt­pla­nen flat­ter­ten im Wind.

Mu­rat er­war­te­te ihn. Der Graue er­hob sich auf die Hin­ter­pfo­ten und stemm­te sei­ne ge­wal­ti­gen Pfo­ten ge­gen Ri­chards Brust. »Nicht jetzt, Mu­rat.«

Er schob ihn weg. Aber das Tier wich nicht von sei­ner Sei­te, wäh­rend er durch die Stadt zur Fel­sen­burg rann­te.

Ri­chards Schrit­te knall­ten hart auf dem kal­ten Stein der Flu­re. Die, die ihm be­geg­ne­ten, drück­ten sich has­tig zur Sei­te. So hat­ten sie ihn noch nie ge­se­hen. Er brann­te, sei­ne Wut war gren­zen­los.

Dies­mal bist du zu weit ge­gan­gen, Va­ter. Aber er such­te ihn ver­geb­lich. Er wand­te sich wie­der zur Tür. Mu­rat saß un­be­weg­lich im Aus­gang und fi­xier­te ihn, als wol­le er ihm et­was mit­tei­len.

End­lich nahm sich Ri­chard Zeit, knie­te nie­der und ver­senk­te sich in ihn. Die­se Art, ohne Wor­te mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren, glich ei­ner Mit­tei­lung in Bil­dern. Er sah Wald, Pfer­de und be­waff­ne­te Män­ner.

Von die­ser Fä­hig­keit des Wolfes, zu »spre­chen«, ahn­te Lea­than nichts. Seit er von Lea­than halb zu Tode ge­prü­gelt wor­den war und Ri­chard ihn ge­ret­tet hat­te, »sprach« Mu­rat mit Ri­chard und de­nen, die zu ihm ge­hör­ten. Jetzt ver­stand Ri­chard. Lea­than be­fand sich auf der Jagd.

Co­ro­ne sah ihn aus ih­ren schö­nen Au­gen an, als er den Stall be­trat. Sie stampf­te un­ge­dul­dig mit den Hu­fen.

Ne­ben ihm tauch­ten Ju­li­an und Jes­se auf. Die Brü­der führ­ten ihre Rap­pen am Zü­gel. »Wir be­glei­ten dich.«

Er war ver­sucht, sei­ne Freun­de zu­rück­zu­wei­sen. Ju­li­an hat­te sei­nen Pos­ten als sein Stell­ver­tre­ter an Kas­tor ab­ge­ben müs­sen, na­tür­lich. Lea­than konn­te nicht auf einen sei­ner treu­es­ten An­hän­ger ver­zich­ten und hat­te sei­nem Sohn und des­sen Ge­folgs­leu­ten je­den Ein­fluss ent­zo­gen. Er bil­lig­te kei­ne an­de­re Macht ne­ben sich. Ri­chard war nicht un­g­lü­ck­lich dar­über. We­ni­ger Ver­ant­wor­tung be­deu­te­te mehr Zeit zu ha­ben für ein Le­ben in der Lich­ten Welt mit Faith und sei­nen Töch­tern.

Könn­te das der Grund für Lot­tes Ent­füh­rung sein? Glaub­te Lea­than, ihn in sei­ner Welt hal­ten zu kön­nen, in­dem er sei­ne Kin­der raub­te?

Er hör­te Jes­se sa­gen: »Ver­such es gar nicht erst.«

»Was?«

»Uns am Mit­kom­men zu hin­dern.« Er feix­te. »Ich kann dei­ne Ge­dan­ken le­sen, mein Freund.«

Zum ers­ten Mal an die­sem Tag lä­chel­te Ri­chard. Jes­se war ein un­ver­bes­ser­li­cher Op­ti­mist mit ei­nem sehr glü­ck­li­chen Tem­pe­ra­ment. Er spiel­te so be­tö­rend Flö­te, dass selbst die Vö­gel ver­stumm­ten. Er ent­lock­te ei­nem un­schein­ba­ren Holz­rohr herz­zer­rei­ßend schö­ne Töne, die sei­ne Zu­hö­rer zu Skla­ven mach­ten. Ein Rat­ten­fän­ger. Schon mit dem ers­ten Ton schlug er sein Pu­bli­kum in den Bann. Nie­mand konn­te sich die­sem Zau­ber ent­zie­hen.

Faith und Leathan

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