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Ka­pi­tel 5 Miss­trau­en

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Ei­tel­keit und Macht­hun­ger trie­ben Lea­than an. Der Ter­min für die Wah­len rück­te nä­her. An­na­bel­les Idee, sich die Macht zu si­chern, war ver­füh­re­risch. Er wuss­te, dass er sei­ner Zwil­lings­schwes­ter nicht trau­en konn­te. Aber sie muss­ten an ei­nem Strang zie­hen, so­lan­ge sie die Herr­schaft über die An­ders­welt nicht be­sa­ßen.

Es gab die­se un­um­stöß­li­che Re­gel: Kein Fürst konn­te al­lei­ne herr­schen, ge­wählt wur­den im­mer zwei Macht­ha­ber. Aber konn­te man Re­geln nicht um­sto­ßen? Es wäre kei­ne schlech­te Idee, die Wah­len dies­mal nicht am gro­ßen Fluss, son­dern in sei­ner Fel­sen­burg ab­zu­hal­ten.

Hier, dach­te er, kann ich die Wäh­ler bes­ser ma­ni­pu­lie­ren, be­dro­hen oder was auch im­mer nö­tig wäre, sie zu zwin­gen, ihm und sei­ner Schwes­ter ihre Stim­men zu ge­ben.

Dazu brauch­te er die La­va­ti­den. Die­se un­er­müd­li­chen Ar­bei­ter soll­ten die Burg ver­grö­ßern, mehr Raum schaf­fen. Un­ter der Erde war noch viel Raum. Sie wa­ren Berg­a­r­bei­ter, ge­wohnt in Gru­ben zu ar­bei­ten. Nun, Gru­ben konn­ten sie ha­ben, so vie­le sie woll­ten, dach­te er.

Mit Hil­fe der Ar­ti­sa­nen, den bes­ten Künst­lern der An­ders­welt, wür­de er die neu­en Räu­me prunk­voll ausstat­ten las­sen. Die Ide­en dazu könn­te er An­na­bel­le über­las­sen. Mit Prunk und Protz kann­te sie sich bes­tens aus.

Zu­frie­den lehn­te er sich zu­rück, nach­dem er Or­kus sei­ne Be­feh­le ge­ge­ben hat­te.

»Es muss schnell ge­hen. Du wirst auch Wei­ber und Kin­der ein­set­zen.«

Der Mann setz­te an zu wi­der­spre­chen. Ein scha­r­fer Schmerz riss ihn auf die Knie.

»Du tust, was ich dir sage!«

Die War­nung die­ses Man­nes in­ter­es­sier­te Lea­than nicht. Die­ser Kerl, ei­ner sei­ner bes­ten In­ge­ni­eu­re, wag­te es er­neut zu wi­der­spre­chen.

Vor Jah­ren hat­te er schon ein­mal ge­warnt und recht da­mit ge­habt. Da­mals hat­te Lea­than nicht auf sei­nen Rat ge­hört, und die An­ders­welt wäre fast zu­grun­de ge­gan­gen. Ein ge­wal­ti­ges Be­ben hat­te das Land aus­ein­an­der­ge­ris­sen. Der unter­höhlten Erde war ein ge­wal­ti­ger Fluss ent­sprun­gen und hat­te wert­vol­les Land, Dör­fer und die Be­woh­ner mit sich ge­ris­sen. Lea­thans Sucht, die Erde zu plün­dern, nach al­lem zu gra­ben, was sie her­gab, war un­ge­heu­er­lich und mach­te auch nicht Halt, wenn er da­mit sei­ne Welt in Ge­fahr brach­te.

Mit ei­ner Hand­be­we­gung wink­te er den In­ge­ni­eur hin­aus. Or­kus ent­fern­te sich mit schmerz­ver­zerr­tem Ge­sicht. Wenn er nicht sei­ne Fa­mi­lie und sich selbst in Ge­fahr brin­gen woll­te, muss­te er ge­hor­chen. Er wür­de Be­rech­nun­gen an­stel­len, um die Ge­fahr, dass die Fel­sen­burg über ih­nen ein­stürz­te, so klein wie mög­lich zu hal­ten. Or­kus hum­pel­te in die Kran­ken­sta­ti­on der He­xen.

Ri­chard war es zu ver­dan­ken, dass die He­xen al­len Kran­ken bei­stan­den. Eter­ni­ta ver­a­rz­te­te ihn. Sie strich eine übel­rie­chen­de fet­te Sal­be auf die schmer­zen­den Glie­der. Wäh­rend er ihr zu­sah, noch halb be­täubt vor Schmerz, dach­te er: Lea­thans Macht­hun­ger ist krank­haft, eben­so sein Wil­le zu be­sit­zen, zu zer­stö­ren. Das ist sei­ne Na­tur.

»Lass ihn das nicht hö­ren.« Die Hexe sah ihn war­nend an.

Or­kus zuck­te mit den Schul­tern. Er kann­te die La­by­rin­the aus Tun­neln un­ter der Erde, in de­nen Lea­than nach Bo­den­schät­zen su­chen ließ. Was­ser­ein­brü­che, Gru­ben­brän­de und Ein­stür­ze wa­ren oft die Fol­ge die­ser Gra­bun­gen. Stof­fe wie Phos­phor und Schwe­fel konn­ten bei der Ge­win­nung me­tal­li­scher Erze aus­tre­ten. Er und sei­ne Leu­te be­fan­den sich in den Stol­len zu je­der Zeit in aku­ter To­des­ge­fahr. Viel schlim­mer konn­te der Tod durch die Hand sei­nes Fürs­ten auch nicht sein.

Au­ßer­dem wuss­te er durch­aus um sei­nen Wert. Sein Selbst­be­wusst­sein hat­te durch die Schmer­zen, die ihm Lea­than zu­ge­fügt hat­te, nicht ge­lit­ten. Er war der Bes­te.

Eter­ni­ta grins­te und klopf­te ihm aufs Knie. »Ver­schwin­de und denk dar­an, dich nicht bei sol­chen Ge­dan­ken er­wi­schen zu las­sen.«

Sie sah dem La­va­ti­den nach. Noch ei­ner, der un­zu­frie­den war.

Seit Lea­than zu­rück war, nah­men Wut und Un­zu­frie­den­heit sei­ner Un­ter­ta­nen dra­ma­tisch zu.

War Ri­chard zu nach­gie­big, zu sanft ge­we­sen? Lea­than zu ty­ran­nisch? Sie dach­te an die Klei­ne mit den har­ten Au­gen. Vi­o­let­te Au­gen, wie die Lea­thans. Soll­te ir­gend­wann in fer­ner Zu­kunft Ar­mi­da, sei­ne Toch­ter, als ers­tes Weib Her­rin über die Schat­ten­welt wer­den?

Für Eter­ni­ta mach­te es letzt­lich kei­nen Un­ter­schied. Sie ging in die rie­si­ge Kü­che zu­rück, sah, dass alle He­xen bei der Ar­beit wa­ren. Sie stu­dier­ten ihre Auf­zeich­nun­gen, hack­ten Kräu­ter, die sie bei Voll­mond ge­sam­melt hat­ten, oder rühr­ten in bro­deln­den Töp­fen, de­nen üb­ler Ver­we­sungs­ge­ruch ent­stieg. Ein leicht fi­s­chi­ger Ge­ruch hing in der Luft.

Nur eine Hexe fehl­te, Si­be­ria. Dar­über al­ler­dings mach­te Eter­ni­ta sich kei­ne Ge­dan­ken. Sie konn­ten sich nicht ausste­hen, und sie war froh, wenn sie ihre Ri­va­lin nicht se­hen muss­te. Noch war der Kampf um die Vor­herr­schaft in den He­xen­kü­chen nicht aus­ge­stan­den. So­lan­ge es kei­ne an­de­ren Be­feh­le gäbe, wür­de sie tun, was Ri­chard ge­for­dert hat­te.

Nicht aus Gut­her­zig­keit, nein. Sol­che Ge­füh­le kann­te Eter­ni­ta nicht. Sie woll­te Si­be­ria ihre Gren­zen zei­gen. Als ob es sich um ihre Ne­ben­buh­le­rin han­del­te, griff sie sich zwei Frösche, brach ih­nen ge­schickt das Ge­nick, riss ih­nen die Bei­ne aus und überg­ab die zer­leg­ten Tie­re ei­ner der jün­ge­ren He­xen.

»So macht man das«, sag­te sie und ver­ließ die Kü­che. Mit ei­nem Krug in der Hand mach­te sie sich auf den Weg in Aglai­as Ge­mä­cher. Der Duft, der dem Krug ent­stieg, war be­tö­rend und ge­fähr­lich zu­gleich. Das Ge­tränk war frü­her al­len zu­gäng­lich ge­we­sen. Seit die Blü­ten der Feens­ter­ne, aus de­nen es her­ge­stellt wur­de, kaum noch zu fin­den wa­ren, konn­ten sich nur die Fürs­ten den Lu­xus des Ver­ges­sens leis­ten. Wer sich die Blü­ten il­le­gal be­schaff­te, wur­de schwer be­straft. Aglaia gab sich ger­ne ih­ren Träu­men hin und ver­lang­te täg­lich nach die­ser Dro­ge. Sie ent­fern­te sich zu­neh­mend von der Wirk­lich­keit.

Eter­ni­ta ver­zog ver­ächt­lich den Mund. Die Feen am Hof wa­ren alle ver­wöhnt. Die An­spruchs­volls­te je­doch war Aglaia. Sie war die Fa­vo­ri­tin und hat­te oben­drein ein Kind von Lea­than, auch wenn das Kind nur ein Mäd­chen war. Ein Kind, an das we­der Mut­ter noch Va­ter ir­gend­wel­che Ge­füh­le ver­schwen­de­ten.

Ar­mi­da, dach­te die Hexe, war klü­ger, be­herrsch­ter und mit mehr Ma­gie aus­ge­stat­tet als ihre Mut­ter.

Schon jetzt zeich­ne­te sich ab, dass sie in die­ser Hin­sicht auch ih­ren Va­ter über­tref­fen wür­de. Sie über­leg­te, ob es sich für sie lohn­te, Ar­mi­da un­ter ihre Fit­ti­che zu neh­men. Sie könn­te dem Mäd­chen vie­les bei­brin­gen. Aber sie muss­te vor­sich­tig sein, un­auf­fäl­lig zu Wer­ke ge­hen. Im Dunst­kreis Lea­thans war es be­kömm­li­cher, sich nicht fest­zu­le­gen. Hier dreh­te man sich mit dem Wind, wenn man ge­sund blei­ben woll­te.

Sie öff­ne­te die Tür zu Aglai­as Sa­lon. Einen Mo­ment lang blieb sie ste­hen.

Pa­r­füm und ein an­de­rer un­ver­wech­sel­ba­rer Duft … bit­ter und feucht und warm, Aglaia hin­ge­streckt auf ei­nem Di­wan. Das durch­sich­ti­ge Ge­wand bis zu den Schen­keln hoch­ge­scho­ben, lausch­te sie schläf­rig dem Mär­chen­er­zäh­ler, Ho­mer. Als sie die Hexe wahr­nahm, rich­te­te sie sich auf.

Faith und Leathan

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