Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 27

Si­be­ria

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Maia über­ließ ihre Stu­te ei­nem der Stal­lel­fen und be­eil­te sich. Lan­ge wür­de die Hexe nicht mehr über­le­ben. Si­be­ria hät­te nichts an­de­res ver­dient, aber et­was hielt Maia da­von ab, ihre Ra­che­ge­lüs­te auf die Spit­ze zu trei­ben. Feen und El­fen der An­ders­welt wa­ren nicht eben zart­be­sai­tet, kann­ten kein Er­bar­men und tru­gen nicht schwer an ih­rem Ge­wis­sen, so sie über­haupt ei­nes hat­ten. Lie­be, Güte, Er­bar­men oder ähn­lich stö­ren­de Ge­füh­le hemm­ten sie ge­wöhn­lich nicht in ih­ren Ent­schei­dun­gen. Sie dach­te an Ma­ga­lie, eine Fee, wel­che die Lie­be er­wi­scht hat­te, ge­nau wie Cy­bill, ihre Mut­ter. Wer lieb­te war ver­wund­bar.

Scheint in der Fa­mi­lie zu lie­gen, dach­te Maia, wäh­rend sie durch die Gän­ge eil­te. Sie lä­chel­te amü­siert, als sie an Na­than dach­te, auch sie selbst war nicht ganz frei von Ge­füh­len.

Aber jetzt woll­te sie die Hexe nicht aus Güte oder weil ihr Ge­wis­sen sich rühr­te ret­ten, son­dern aus Kal­kül. Si­be­ria wäre ihr et­was schul­dig. Man konn­te nie wis­sen.

Sie riss die Tür auf, Hit­ze schlug ihr ent­ge­gen. Über die Wän­de kroch mohn­rot die Glut, schmier­te su­chend über den Stein­bo­den. In je­dem Win­kel leck­ten gie­ri­ge Flam­men­zun­gen.

Si­be­ria sang mit ho­her Stim­me: »Ver­las­sen, ver­sto­ßen sei auf ewig«. Si­be­ri­as Stim­me wur­de zum Weh­kla­gen, zum Wim­mern, brach und ersta­rb.

Der Fluch, der ohne Zwei­fel Lea­than galt, ließ Maia er­schau­ern. Klei­ne Flam­men knack­ten, knis­ter­ten und zisch­ten über die Mau­ern und den stei­ner­nen Bo­den.

Zu spät, dach­te Maia, ohne eine Spur des Be­dau­erns. Hier konn­te selbst sie nichts mehr tun. Die schwa­rz­ma­gi­sche Hexe gab es nicht mehr. Glü­hen­der Fun­ken­re­gen trieb durch die sen­gen­de Luft.

Maia blies sanft in den Raum. Die Hit­ze ließ nach, die letz­te Glut welk­te wie eine ster­ben­de Blü­te. Sie wand­te sich ab und stieß fast mit Adam zu­sam­men. Sein Ge­sicht war asch­grau.

»Du soll­test bei den El­fen sein. Geh hin­über, lass dir et­was zu trin­ken ge­ben und geh schla­fen.«

Der Jun­ge sah völ­lig fer­tig aus. Er muss­te noch viel ler­nen, vor al­lem aber muss­te er er­ken­nen, dass, nach­dem ihr Sohn zu­rück war, das Le­ben in der Schat­ten­welt nicht ein­fa­cher ge­wor­den war.

Maia fand Lea­than mit Kas­tor und ei­ni­gen an­de­ren El­fen in sei­nen Räu­men. Fins­ter­lin­gen, wie man sie kaum au­ßer­halb der Ge­fäng­nis­se un­ten in der Stadt traf. Sie hat­ten ge­wür­felt und ge­trun­ken.

Jetzt konn­te sie mit Lea­than nicht re­den. Sie sah hin­über, dort­hin wo Mu­rats Hals­band kurz auf­blitz­te. Bern­stein­gel­be Au­gen. Der graue Wolf schien un­ver­sehrt. Lea­than neig­te be­son­ders in an­ge­trun­ke­nem Zu­stand zum Sa­dis­mus.

Er stand, über einen lan­gen Tisch ge­beugt, und be­trach­te­te einen Ent­wurf. Maia konn­te nicht er­ken­nen, wor­um es sich han­del­te.

Jetzt trat sie doch nä­her. »Was ist das?«

»Ein Plan.« Lea­than setz­te ihr aus­ein­an­der, was er vor­hat­te: Die Burg ver­grö­ßern, Platz schaf­fen für Fes­te, un­se­re Gäs­te sol­len be­ein­druckt sein … »Ich dach­te, wir könn­ten die Wah­len, die bald an­ste­hen, hier ab­hal­ten.«

Er be­nahm sich wie ein klei­ner Jun­ge, der hin­ter sei­nem Ge­plap­per die Wahr­heit ver­barg, eine Wahr­heit, von der er wuss­te, dass sie ihr nicht ge­fie­le.

Die Wah­len also, dach­te Maia. Glaubst du denn, dass sie dich wäh­len wer­den, weil du die Fürs­ten hier­her ein­lädst und ein­lullst?

Ihr Sohn litt an ei­nem be­ängs­ti­gen­den Man­gel an Selbst­kri­tik.

Mai­as Fin­ger be­weg­ten sich lang­sam über die Zeich­nung. War er schon im­mer so ge­we­sen, oder ver­wehr­ten Dro­gen und Al­ko­hol ihm bes­se­re Ein­sicht? Die­ses ge­wal­ti­ge Fel­sen­nest, das vie­le ih­rer Vor­fah­ren dem Stein ent­ris­sen hat­ten, wür­de ein­stür­zen, wenn man es unter­höhlte. Hier zu gra­ben be­deu­te­te, die Stadt ih­res Fun­da­men­tes zu be­rau­ben.

»Was sagt Or­kus zu dei­nem Plan?«

»Der Mann ist ein Feig­ling und faul. Er hat kei­ne Vi­si­o­nen, spricht von Ein­sturz­ge­fahr und sol­chem Un­sinn. Ein ewi­ger Zau­de­rer.«

Maia kann­te den La­va­ti­den. Ein be­son­ne­n­er, hoch­be­gab­ter In­ge­ni­eur, der sein Le­ben nicht nur un­ter der Erde in den Stol­len der Berg­wer­ke aufs Spiel setz­te, son­dern auch, in­dem er sei­nem Herrn wi­der­sprach.

»Über­leg es dir noch ein­mal, Or­kus ist kein Dumm­kopf.«

Sie trat an die Fens­ter­öff­nung. Hin­ter ihr Lea­than. Dort un­ten lag das tod­brin­gen­de La­by­rinth. Maia dreh­te sich so, dass Lea­than der Blick hin­aus ver­wehrt war. Ge­ra­de lo­der­ten die Feu­er kurz auf, die ver­hin­dern soll­ten, dass die Seelen­die­be sich an die Ar­beit mach­ten. Of­fen­bar ge­horch­te Eter­ni­ta noch im­mer Ri­chards Be­feh­len.

Wo ihr Sohn sich auf­hielt, gab es Tod und Ver­der­ben. Das ließ sie an Si­be­ria den­ken. Sie frag­te sich, wann sie ihm mit­tei­len soll­te, dass die Hexe nicht mehr leb­te.

Sie wand­te sich ihm zu und sag­te: »Ich habe Si­be­ria ge­tö­tet.«

Lea­thans Mund ver­zerr­te sich zu ei­nem di­a­bo­li­schen Grin­sen.

»Ich hät­te es längst selbst tun sol­len, die Hexe war kei­nen Pfif­fer­ling wert.«

Maia hör­te im Hin­ter­grund Schlag­wor­te. Si­be­ri­as Name fiel.

»Sie soll ver­brannt sein«, hör­te sie.

Kas­tor schlug mit der Faust auf den Tisch, und die El­fen gröl­ten vor Ver­gnü­gen. Also hat­te die Ge­schich­te schon die Run­de ge­macht. Lea­than ließ sie ste­hen und ge­sell­te sich zu sei­nen Sauf­ge­nos­sen.

Maia ver­ließ den Raum und mach­te sich auf die Su­che nach Na­than. Sie hat­te kei­ne Mühe, je­man­den zu tö­ten, wenn sie es für rich­tig hielt, aber sie war nicht grau­sam und hat­te kein Ver­gnü­gen dar­an.

Sie fand Na­than in der Are­na, in der die Übungs­kämp­fe statt­fan­den. Dort hat­te er Ge­ne­ra­ti­o­nen von Fürs­ten­kin­dern aus­ge­bil­det, Lea­than eben­so wie spä­ter Ri­chard und noch spä­ter Ju­li­an und Jes­se, Ri­chards Freun­de. Die al­ler­dings wa­ren kei­ne Fürs­ten­kin­der, sie ka­men aus der Gos­se.

Maia blieb mit of­fe­nem Mund mit­ten in der Hal­le ste­hen, als sie er­kann­te, wem er das Kämp­fen bei­brach­te. Ar­mi­da sprang be­hän­de zu­rück, wir­bel­te her­um und hob das Sti­lett. Ihr Part­ner war Adam. Na­than stand breit­bei­nig, mit nack­tem Ober­kör­per, nur in Bein­klei­dern, mit ver­schränk­ten Ar­men da und be­ob­ach­te­te die Zwei.

Er hat­te Maia noch nicht ent­deckt, gab An­wei­sun­gen und nick­te hin und wie­der zu­frie­den.

»Seid ihr ver­rückt ge­wor­den?«

Na­than fuhr her­um.

»Ge­won­nen!« Ar­mi­da stach ihr Sti­lett ge­gen Adams Brust­pan­zer. Der Jun­ge hat­te einen Mo­ment nicht auf­ge­passt und sich, wie Na­than, zu ihr her­um­ge­dreht.

Maia lach­te. »Eine Sie­ben­jäh­ri­ge, die euch her­ein­legt?«

Adam sag­te: »Das war hin­ter­häl­tig.«

Ar­mi­da feix­te. »War es nicht. Na­than sagt, wir dür­fen uns nicht ab­len­ken las­sen, egal was pas­siert.«

»Sie muss kämp­fen ler­nen, als Toch­ter des Fürs­ten soll­te sie sich weh­ren kön­nen.«

»Es ist zu früh für die scha­r­fen Waf­fen.«

Na­than lach­te. »Über ein Holz­schwert ist sie längst hin­aus.«

»War­um weiß ich da­von nichts?«

»Weil du nicht al­les wis­sen musst, mei­ne Lie­be.«

Ar­mi­da ki­cher­te und ver­schwand, als Mai­as Blick sich auf sie rich­te­te. Auch Adam such­te das Wei­te.

»Weiß ihre Mut­ter, wo sich das Kind her­um­treibt?«

»Ich fürch­te, das in­ter­es­siert sie nicht.«

Was habe ich doch für eine Fa­mi­lie, dach­te Maia und folg­te Na­than. Er stell­te sich un­ter das eis­kal­te Was­ser des klei­nen Was­ser­falls am Ende der Hal­le. Sie nahm ein Tuch von der Bank da­ne­ben und reicht es ihm.

Spä­ter gin­gen sie ge­mein­sam durch die lan­gen düs­te­ren Gän­ge.

»Du hast recht, sie muss das ler­nen.«

Maia glaub­te nicht, dass Ri­chard der ge­eig­ne­te Nach­fol­ger Lea­thans wäre. Ar­mi­da, dach­te sie, schon.

Das Mäd­chen be­saß die rich­ti­ge Mi­schung aus Un­nach­gie­big­keit, Ma­gie und In­tel­li­genz, zu­sam­men mit Här­te und ei­ner Spur Grau­sam­keit. Und sie war zwei­fel­los ein Kind der dunk­len Welt.

Ri­chard war für die hel­le Welt ge­schaf­fen. Er war mu­tig und klug, aber die­se Welt war nicht die sei­ne. Sie spür­te, dass er sich quäl­te.

Sie teil­te die­se Ge­dan­ken mit Na­than.

»Ich bin ganz dei­ner Mei­nung. Eben des­halb ist es so wich­tig, mit Ar­mi­das Er­zie­hung früh zu be­gin­nen.«

Im Vor­bei­ge­hen öff­ne­te Maia eine Tür. So­fort um­gab sie das Pa­r­füm der Kü­che. Dies­mal war es nicht der Ge­stank der Ver­we­sung. Maia at­me­te tief ein. Un­zäh­li­ge Feu­er hat­ten hier ge­brannt. Sie roch eine Mi­schung aus Thy­mi­an, Knob­lauch ver­mischt mit dem Duft von ge­bra­te­nem Wild. So ganz ohne Er­folg ist der Jagd­aus­flug wohl doch nicht ge­blie­ben, dach­te Maia.

Von der De­cke hin­gen kup­fer­ne Kas­se­rol­len ne­ben schwa­r­zen Ei­sen­pfan­nen. An ei­nem Ei­sen­ha­ken bau­mel­te ein Strauß fri­scher, noch nicht ge­rupf­ter Tau­ben. Die Wän­de glänz­ten vor Fett. Der Herd in der Mit­te des Rau­mes, ein öli­ges ge­frä­ßi­ges Un­ge­heu­er, fauch­te. Man konn­te einen Och­sen dar­in bra­ten.

Eter­ni­ta rühr­te in ei­nem ge­wal­ti­gen Kes­sel, dem ein köst­lich wür­zi­ger Duft ent­ström­te. Ihr Ge­sicht ver­zog sich un­wil­lig, als sie Na­than und Maia wahr­nahm.

Ging es schon wie­der um Si­be­ria?

»Es geht um Si­be­ria«, hör­te sie Maia.

Ich hab es ge­wusst, dach­te die Hexe und rühr­te hef­ti­ger in ih­rem Sud.

»Sie ist tot.«

Eter­ni­ta wir­bel­te her­um. »Tot?« Ihr Mund ver­zog sich zu ei­nem höh­ni­schen Lä­cheln. »Gut«, sag­te sie und wand­te sich wie­der ih­rer Ar­beit zu.

Die an­de­ren He­xen wa­ren neu­gie­rig nä­her ge­rückt. Sie warf ih­nen einen scha­r­fen Blick zu.

»Habt ihr nichts zu tun?«

Faith und Leathan

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