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Flam­men

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Ma­ga­lie war rat­los. Un­sicht­bar hat­te sie die Fel­sen­burg von oben bis un­ten durch­sucht. Ir­gen­d­et­was sag­te ihr, dass we­der Os­kar noch Lot­te in der Burg wa­ren, aber sie durch­streif­te sie trotz­dem. Sie war si­cher, dass die bei­den hier ge­we­sen wa­ren. Hat­te man sie weg­ge­bracht? Wer? Wo­hin?

Sie press­te sich in eine Ni­sche, als sie Schrit­te hör­te. Ein Schlüs­sel­bund klim­per­te, und eine Tür ganz in ih­rer Nähe wur­de ge­öff­net. Gleich dar­auf hör­te sie ein Klat­schen, dann einen Auf­schrei. Noch ein Klat­schen. Ma­ga­lie schlich sich nä­her. In der Kam­mer stan­den Si­be­ria und eine jun­ge Hexe, die sich die Wan­ge rieb. Si­be­ria dreh­te sich plötz­lich zur Tür und sah Ma­ga­lie di­rekt an. Fast konn­te man glau­ben, dass die Hexe sie sah. Aber das konn­te sie nicht. Die Fürs­tin blieb un­sicht­bar.

Den­noch, es war mög­lich, dass die schwa­rz­ma­gi­sche Hexe ihre An­we­sen­heit spür­te. Ma­ga­lie zog sich zu­rück, blieb aber in Hör­wei­te.

Of­fen­bar hat­te man Os­kar nicht von Lot­te tren­nen kön­nen und die bei­den hier zu­sam­men ein­ge­sperrt. Sie ver­stand, dass Si­be­ria die Hexe ge­schla­gen hat­te, weil sie ihr die Schuld an ih­rem Ver­schwin­den gab. Und noch et­was wur­de ganz klar: Auch Si­be­ria wuss­te nicht, wo ihre bei­den Ge­fan­ge­nen wa­ren.

Aber wie war Os­kar die­sem ver­schlos­se­nen Raum ent­sch­lüpft? Er muss­te Hil­fe ge­habt ha­ben. Von wem?

Si­be­ri­as Wor­ten ent­nahm sie, dass die Ent­füh­rung al­lein auf ihr Kon­to ging. Lea­than wuss­te nichts da­von.

Sie zog sich noch wei­ter in den Schat­ten zu­rück, als sie Ri­chard kom­men sah.

Wenn er wü­tend war, was sel­ten vor­kam, äh­nel­te er in ver­blüf­fen­der Wei­se sei­nem Va­ter. Sein sonst so sanf­ter Aus­druck wan­del­te sich.

Er stürm­te an ihr vor­bei in den Raum. Die Tür schlug ge­gen die Wand.

»Wo ist mein Kind?«

Ri­chard hielt Si­be­ria an bei­den Ar­men ge­packt und schüt­tel­te sie.

Sie öff­ne­te die Lip­pen, aber kein Wort kam aus ih­rem Mund. Sie starr­te den jun­gen Mann an, als sähe sie ihn zum ers­ten Mal.

Ma­ga­lie wuss­te von Ri­chards hyp­no­ti­scher Fä­hig­keit, sein Ge­gen­über et­was se­hen zu las­sen, was nicht wirk­lich da war. Sie frag­te sich, was Si­be­ria in die­sem Mo­ment in Ri­chard er­blick­te. Sie wür­de es ver­mut­lich nie er­fah­ren. Ri­chard ließ die Hexe so ab­rupt los, dass sie fast stürz­te.

Si­be­ria wuss­te nichts, wort­los schüt­tel­te sie den Kopf.

Ma­ga­lie hat­te ge­nug ge­hört, sie wand­te sich zum Ge­hen. Aber wie­der wur­de ihr der Rü­ck­weg ver­sperrt, fast wäre sie mit Maia zu­sam­men­ge­sto­ßen. Mit we­hen­den Ge­wän­dern schritt Lea­thans Mut­ter knapp an ihr vor­bei. Einen Mo­ment schien es, als ob sie an­hal­ten woll­te. Mit ei­nem kaum wahr­nehm­ba­ren Lä­cheln neig­te sie den Kopf in Ma­ga­lies Rich­tung, aber sie ging wei­ter. Auch Maia be­saß die­sen In­stinkt, dach­te die Fürs­tin. Sie sah, ohne zu se­hen, sie ahn­te so­gar, wer dort stand. Wie so oft, frag­te sie sich, wie Maia zu ei­nem so ab­grund­tief bö­sen Sohn wie Lea­than kom­men konn­te.

Maia selbst war die Toch­ter des Herr­schers, der vor Lea­than über die dunk­le Welt re­giert hat­te. Ein Elf, der auch nicht ge­ra­de un­schul­dig ge­we­sen war, aber ge­gen sei­nen En­kel als Lämm­chen durch­ge­hen konn­te. Sie wand­te ihre Auf­merk­sam­keit wie­der Ri­chard, Si­be­ria und Maia zu.

»Was ist dir denn ein­ge­fal­len? Einen Säug­ling zu ent­füh­ren ist selbst für dich …«

Ma­ga­lie hat­te Maia noch nie so wü­tend ge­se­hen. Die Wän­de des Rau­mes nah­men eine lo­dernd oran­ge­fa­r­be­ne Tö­nung an, als ob sie in Flam­men stün­den. Sel­te­ne Fa­r­be in der Dun­kel­welt, dach­te Ma­ga­lie.

Si­be­ri­as von Fa­r­ben ver­hex­ter Blick. Sie rühr­te sich nicht mehr. Be­we­gungs­los blie­be sie, bis Maia ge­neigt wäre, ihre Fes­seln zu lö­sen.

Ma­ga­lie wuss­te, dass Maia Fa­r­ben von Eli­a­na be­kam. Eli­a­na. Le­an­ders Weib war die Hü­te­rin ei­ner gro­ßen Farb-Bi­blio­thek. Sie konn­te Fa­r­ben ex­tra­hie­ren, aus dem Som­mer­wind, den Flü­geln ei­nes Schmet­ter­lings, dem Sturm, Ge­wit­ter und aus Ge­füh­len, wie dem La­chen ih­rer Kin­der, der Lie­be ih­res Man­nes und der Lust. Die Fa­r­ben wa­ren stark, sie konn­ten tö­ten, hei­len und fes­seln, rich­tig an­ge­wandt, so­gar bun­te Sei­le span­nen, über die man ge­hen konn­te wie über eine re­gen­bo­gen­fa­r­be­ne Brü­cke.

In end­lo­sen Rei­hen stan­den Kris­tall­ge­fä­ße mit glü­hen­den, mat­ten und pud­ri­gen Tö­nen in Eli­a­nas Bi­blio­thek.

Le­an­der, ihr Mann, be­saß zu­sam­men mit Ma­ga­lie das Zei­chen der Macht, das zwei­tei­li­ge Me­dail­lon. Alle paar Jah­re wur­de neu ge­wählt, wer das Me­dail­lon tra­gen durf­te, und im­mer muss­ten es zwei Fürs­ten sein, nie durf­te ei­ner al­lein herr­schen. Ma­ga­lie frag­te sich, ob sie sich wie­der zur Wahl stel­len soll­te.

Der stän­di­ge Kampf mit Lea­than war er­mü­dend ge­we­sen. Nun, da er zu­rück war, wür­de die­ser Kampf wie­der be­gin­nen. Re­geln, so glaub­te er, gal­ten nicht für ihn.

Sie hat­te es so satt.

Lä­cher­lich, es war ein­fach lä­cher­lich, dass sie sich wie eine Die­bin im Schutz ih­rer Un­sicht­bar­keit hier her­um­trieb. Sie ge­stand sich ein, dass sie, ob­wohl sie die mäch­tigs­te Fürs­tin der ge­sam­ten An­ders­welt war, Lea­than fürch­te­te. Er war zu al­lem fä­hig. Die­ser dunk­le Elf woll­te sie be­sit­zen, sie sich un­ter­wer­fen, und er schreck­te vor nichts zu­rück. Sie ver­mied es, wenn sie konn­te, ihm zu be­geg­nen.

Die Idee, ihre En­ke­lin zu ent­füh­ren, hät­te von ihm sein kön­nen. Aber in die­sem Fall war er un­schul­dig, wo­bei das Wort un­schul­dig in Be­zug auf die­sen Fürs­ten kei­ne Be­deu­tung hat­te. Er hat­te vor Jah­ren Ro­bert ent­führt und ver­sucht, ihre Toch­ter in sei­ne Ge­walt zu be­kom­men, war­um nicht auch die En­kel­kin­der? Ent­füh­run­gen ge­hör­ten bei ihm zum Ta­ges­ge­schäft.

In­zwi­schen stand sie im fast lee­ren Stall. Nichts, kein Os­kar, kei­ne Lot­te. Die meis­ten Bo­xen wa­ren ver­waist, in ei­ni­gen stan­den die von Lea­than be­vor­zug­ten Rap­pen. Glän­zend schwa­rz, sei­ne Lieb­lings­fa­r­be. Die El­fen wa­ren noch im­mer auf der Jagd nach dem wei­ßen Hirsch.

Sie lä­chel­te. El­sa­be war schnell, der Dun­kel­alb wür­de sie nie­mals krie­gen. Ih­rer Freun­din mach­te es Ver­gnü­gen, den dunk­len Fürs­ten an der Nase her­um­zu­füh­ren.

Sie sel­ber wäre lie­ber in der Lich­ten Welt ge­blie­ben.

Ein küh­ler Hauch kroch die Stall­gas­se ent­lang, Ma­ga­lie fror. Ir­gen­d­et­was war da drau­ßen. Lea­than war ganz in der Nähe, das spür­te sie.

Sie at­me­te aus, als sie das Pony sah. Ein klei­nes Mäd­chen nur. Hat­te sie sich so täu­schen kön­nen?

Aber dann hör­te sie das Zi­schen, und die Käl­te war ganz nah. Lea­than er­schien in sei­ner grau­en Wol­ke. Da war er, ein kräf­ti­ger, gut aus­se­hen­der Elf. Die Ähn­lich­keit mit sei­ner Zwil­lings­schwes­ter war nicht zu über­se­hen. Die männ­li­che Aus­ga­be der schö­nen An­na­bel­le.

Die Klei­ne schrumpf­te un­ter sei­nem vi­o­let­ten Blick. Sie saß noch im­mer ab­war­tend auf dem wei­ßen Pony. Lea­than schien ir­ri­tiert. Be­merk­te auch er die An­we­sen­heit ei­ner Frem­den?

Sie spür­te eine sam­ti­ge Nase in ih­rem Nacken. Wenn der Dun­kel­alb auf­merk­sa­mer wäre, könn­te er so­gar her­aus­fin­den, wo sie stand. Die Lieb­ko­sun­gen und das In­ter­es­se des Hengs­tes hin­ter ihr ver­ri­e­ten sie. Aber Lea­than war nicht auf­merk­sam. Er hat­te das Mäd­chen im Blick. Und die­ser Blick war miss­trau­isch und un­freund­lich.

»Was hast du hier zu su­chen? Wo kommst du her?«

Es kam eine lan­ge aus­führ­li­che Be­schrei­bung von ei­nem Ritt durch den Wald. Die Klei­ne be­schrieb die Käl­te und be­gann je­den ein­zel­nen Baum auf­zu­zäh­len, den sie pas­siert hat­te. Auch von Trei­bern, die sie ge­trof­fen ha­ben woll­te, war die Rede.

»Sie ha­ben ein Feu­er ge­macht …«, sag­te sie und zuck­te zu­rück, als Lea­than sie an­fuhr: »Halt den Mund, du bist ja noch düm­mer als dei­ne Mut­ter.«

Ma­ga­lie be­ob­ach­te­te die Klei­ne fas­zi­niert. Sie war kei­nes­wegs dumm, sie ver­such­te mit ih­rem Ge­plap­per ih­ren Geist vor Lea­than zu ver­schlie­ßen. Eine aus­ge­zeich­ne­te Me­tho­de, ihre wirk­li­chen Ge­dan­ken zu ver­ber­gen. Sie blieb, so weit es ging, bei der Wahr­heit, aber gleich­zei­tig ver­tusch­te sie et­was.

Ver­mut­lich das Wich­tigs­te, dach­te Ma­ga­lie. Et­was, was sie auf kei­nen Fall preis­ge­ben will.

Sie frag­te sich, wer die­ses Kind war. Schon jetzt eine klei­ne Schön­heit. Sie er­in­ner­te sie an eine der Feen aus Lea­thans En­tou­ra­ge, Aglaia. Schwa­r­zes Haar, wei­ße Haut, aber die Au­gen. Die Au­gen wa­ren alt wie die Zeit. Zu alt für ein Kind. Der kal­te vi­o­let­te Blick glich dem des Dun­kel­al­ben. Lea­thans Toch­ter? Dem Al­ter nach könn­te das stim­men. Sie war höchs­tens acht Jah­re alt. Ge­zeugt, dach­te sie, be­vor ich ihn auf die Ka­the­dra­le ver­bannt habe.

Ar­mi­da führ­te ihr Pony in eine der hin­te­ren Bo­xen.

»Bes­ser gar kei­nen Va­ter, als die­sen«, grum­mel­te sie, nach­dem Lea­than ge­gan­gen war.

Ar­mi­da er­schrak als Ma­ga­lie plötz­lich vor ihr stand. Eine schlan­ke Fee mit hel­lem Teint und ro­tem üp­pi­gen Haar, das in die­ser tris­ten Um­ge­bung un­ziem­lich leuch­te­te. Sie hat­te sie noch nie ge­se­hen und war si­cher, dass sie nicht zum Hof ih­res Va­ters ge­hör­te. Was woll­te sie von ihr?

Ma­ga­lie be­ant­wor­te­te die Fra­ge des Kin­des, ohne dass sie ge­stellt wor­den wäre.

»Ich bin Ma­ga­lie, ich lebe in der Lich­ten Welt. Sag mir, wo Lot­te und Os­kar sind.«

Ar­mi­das klei­ner Kör­per ver­steif­te sich. Sie füll­te einen Ei­mer mit Was­ser und gab Heu in eine Trau­fe. Nach­dem sie die Tür der Box sorg­fäl­tig ge­schlos­sen hat­te, sah sie Ma­ga­lie di­rekt ins Ge­sicht.

Soll­te sie lü­gen? Sie könn­te be­haup­ten, den Glit­ter nie ge­se­hen zu ha­ben.

Ma­ga­lie ver­stand den Zwie­spalt, in dem sich das Mäd­chen be­fand. Sie war eine Frem­de, und Ar­mi­da frag­te sich, war­um sie ihr ver­trau­en soll­te.

An­ders als Lea­than konn­te die Fürs­tin in dem Mäd­chen le­sen.

»Ich weiß, dass du Os­kar zur Flucht ver­hol­fen hast. Hat er dir ge­sagt, wo er mit mei­ner En­ke­lin hin­woll­te?«

Ma­ga­lie übte sich in Ge­duld. Ar­mi­da schüt­tel­te den Kopf. Sie dach­te an den rie­si­gen Ken­tau­ren Pho­los, der sie zu­rück­ge­bracht hat­te.

Ma­ga­lie lä­chel­te. »Wer ist Pho­los?«

»Pho­los ist das Ober­haupt der Ken­tau­ren«, sag­te Maia hin­ter ihr. »Ich ken­ne ihn gut.« Zu Ar­mi­da sag­te sie: »Du kannst Ma­ga­lie ver­trau­en. Geh jetzt.«

»Du hast mich ge­fun­den.«

»Ja.« Maia lach­te. »Mir machst du nichts vor, Ma­ga­lie. Die Jä­ger kom­men zu­rück, wir soll­ten hier ver­schwin­den.«

Faith und Leathan

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