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Vom Schwarztauschen und Umrubeln

30. Oktober – 2. November 1989

Es kommt etwas Licht in das Dunkel unserer etwas wirren Reisepläne. Die Tickets nach Damaskus sind reserviert, aber noch nicht bezahlt. Für Batumi gibt es nur Hinflugtickets und noch keine Hotelreservierung. Die Tickets nach Deutschland waren schon bezahlt und sind erfolgreich im Lufthansa-Büro umgerubelt worden. Umrubeln ist hier die gängige Praxis, ja, fast ein Sport, aber irgendwie völlig absurd. Man geht zuerst ins Aeroflot-Büro und erwirbt Tickets, die man mit Rubel bezahlt. Das haben wir mit Unterstützung von Eric und Gisela, mit denen wir uns angefreundet haben, auch gemacht. Da jeder Ausländer in Moskau mindestens eine Quelle zum Schwarztauschen hat, verbilligen sich die Ticketpreise etwa um das Zehnfache. Mit den auf diese Weise günstig erworbenen Aeroflot-Tickets geht man anschließend ins besagte Lufthansa-Büro, um diese dort eins zu eins gegen Lufthansa-Tickets einzutauschen. Das haben wir, diesmal ohne Hilfe von Eric und Gisela, problemlos erledigt. Das Ergebnis ist: Wir fliegen, statt mit Aeroflot, mit Lufthansa für günstig getauschte Rubel nach Deutschland, und das auch noch in der gerade neu eingerichteten Business-Class, ohne einen Pfennig dazu zu zahlen. Die Lufthansa hat mit Beginn des Winterfahrplans ab dem 29. Oktober drei Klassen eingeführt: First Class, Business-Class und Economy-Class. Der Flyer der Fluggesellschaft verspricht „verbesserten Service an Bord, ein Auswahlmenü und Champagner auf allen grenzüberschreitenden Flügen“. Geht das alles mit rechten Dingen zu? Erste Skrupel beschleichen uns.

Um den Schwarzmarkt auszutrocknen, soll der Rubel abgewertet werden. Der aktuelle offizielle Kurs liegt bei 3,30 D-Mark und soll in Kürze auf 0,33 D-Mark runtergefahren werden. Der genaue Zeitpunkt ist noch unklar. Besonders brisant ist jedoch die Meldung, dass ab dem 1. November (das ist heute!) Flugreisen von Ausländern aus der UdSSR ins Ausland finanziell angeglichen werden. Das würde natürlich unsere moralischen Bedenken ein wenig mildern. Man kann sich aber gut ausmalen, welche absurden Gedankenspiele diese Nachricht in der Ausländergemeinde auslöst. Das Ende des Umrubelns naht.

Dass Privilegien für Ausländer nicht gern gesehen sind, verdeutlicht eine Meldung, die wir in der Hauspostille lesen. Dort wird aus einem Leserbrief an eine Moskauer Zeitung zitiert. Das Beste in Moskau und der Sowjetunion sei immer nur für die Ausländer da, die Restaurants, Extra-Wartesäle bei Aeroflot, besondere Läden zum Einkaufen; „wir katzbuckeln vor ihnen, bloß weil wir arm sind, weil wir auf ihre Valuta scharf sind“. Solche Selbsterniedrigung gebe es nicht einmal in den Entwicklungsländern, beklagt sich der Moskauer Bürger. Das ist nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Heute Abend, um 19 Uhr, beginnt im Leninstadion, im Luschniki-Sportpark, das UEFA-Cup-Qualifikationsrückspiel zwischen Spartak Moskau und dem 1. FC Köln. Das Stadion ist nur zur Hälfte gefüllt; es fasst insgesamt 100 000 Zuschauer. Es gießt in Strömen. Obwohl die Heimmannschaft 90 Minuten lang frenetisch angefeuert wird, endet die Schlammschlacht 0:0. Damit ist Köln eine Runde weiter. Das Publikum erweist sich nicht nur als sehr begeisterungsfähig, sondern auch als sehr fair. Das liegt nicht allein an den Milizionären, die, zahlreich vertreten, auch schon auf den Zufahrtsstraßen und vor dem Stadion, jederzeit alles im Blick haben. Diese Sportbegeisterung kommt von Herzen. Alkoholkonsum und Randale nehmen wir nicht wahr. Nach Spielende sorgen die Milizionäre für einen ruhigen, geordneten Abzug der Fans aus dem Stadion.

Auf der Rückfahrt bemerken wir Straßenabsperrungen und Militärkolonnen. Wir müssen uns nicht beunruhigen; die Soldaten fahren ins Stadtzentrum, um für die bevorstehenden Revolutionsfeiertage zu üben.

Eric hat Verbindungen zu Freunden, die wiederum Verbindungen zu einem russischen Reisebüro in der Nähe des Außenhandelsministeriums, einem der Zuckerbäckerbauten, haben. Mithilfe dieser Connections kann Eric dort kurzfristig für acht Personen Unterkünfte und einen Flug für zwei Familien nach Lárnaka auf Zypern reservieren. Die Zeit wird knapp, mal sehen, ob es klappt! Einen Tag später bekommen wir die Zusage und bezahlen - mit Rubel. Kurz danach erfährt Eric, dass es noch einige Unsicherheiten mit dem Flug nach Zypern gebe. Man wolle das rechtzeitig regeln. Um 22 Uhr dann der fast erlösende Anruf: Die Tickets sind wahrscheinlich am morgen schon da! Wir sind gespannt, ob wir am nächsten Tag nach Zypern oder doch noch nach Batumi fliegen. Oder zu Hause bleiben.

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