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ОглавлениеRevolutionsferien in Zypern
3. November – 5. November 1989
Heute wollen wir unsere Reise antreten, am liebsten nach Batumi, der Hafenstadt am Schwarzen Meer nahe der türkischen Grenze. Das Telefon klingelt. Erwartungsvoll nehme ich den Hörer ab. Es geht um Batumi. Neben dem Hinflug sei nun auch die Hotelunterkunft sicher, am Rückflug werde noch gearbeitet. Wir beginnen schon mal zu packen. Kurz darauf ruft Eric an: Die schon bezahlten Tickets nach Zypern sind eingetroffen! Als bis 16 Uhr noch immer nicht der Rückflug aus Batumi geklärt ist, stornieren wir den Schwarzmeer-Urlaub. Mit dem Packen sind wir schon fast fertig. In beiden Regionen soll ja das Wetter ähnlich mild in dieser Jahreszeit sein.
Eric winkt am Leninskij Prospekt zwei Fahrzeuge heran. Die Fahrer sind keine Taxifahrer; sie verdienen sich privat einige Rubel dazu, indem sie Touren in ihren Fahrzeugen anbieten. Vor der Fahrt handelt man einen Festpreis aus. Das Geld erhält der Fahrer erst, wenn er den Zielort erreicht hat. Das klappt normalerweise gut, auch heute. Eric, Gisela und ihre Söhne Jan und Niels - die Familie kommt aus Lörrach - nehmen den ersten Wagen. Wir steigen in eine schwarze, mit dicken Teppichen ausgelegte Wolga-Limousine ein. Der muffig wirkende Fahrer bleibt während der Tour absolut stumm. Um 22:30 Uhr lässt er uns bei Schneeregen in Scheremetjewo raus. Als er das Geld erhält, hellt sich seine Stimmung merklich auf.
Unser Flug geht erst in zwei Stunden. Nach diesem aufregenden Tag haben alle Durst. So landen wir in einer Art Cafeteria, die zwei Sorten Getränke anbietet: Piva, das bedeutet Bier, und Mineralwasser. Das Bier schmeckt so, wie der Name klingt. Es ist viel zu warm und riecht kloakig. Die Kinder haben Glück, dass sie noch keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen dürfen. Über das Mineralwasser klagen sie nicht.
Ohne nennenswerten Kontrollstress entern wir unsere Aeroflot-Maschine, die pünktlich um 0:55 Uhr abhebt – Richtung Zypern, oder war es jetzt doch Batumi?
Um 3:15 landen wir in Lárnaka. Um diese Zeit beträgt die Außentemperatur satte 21 Grad. Schon im Flugzeug reißen wir uns die ersten Kleidungsstücke vom Leib.
Noch mehr brechen wir in Schweiß aus, als wir am Zollschalter erfahren, wir müssten uns erst einmal um eine Unterkunft bemühen, damit wir überhaupt einreisen dürfen. Da hat wohl die Hotelreservierung über das Moskauer Reisebüro aus unerfindlichen Gründen nicht ganz geklappt. Wie sollen wir nachts um 3:30 Hotelzimmer für acht Personen aus dem Hut zaubern, zumal wir ja die Passkontrolle für diese Aktion passieren müssten? Wir legen weitere Kleidungsstücke ab. Das weiß der Beamte auch nicht. Er knallt wortlos die Stempel in die Ausweise und lässt uns „einreisen“.
Wir haben Glück. Das Hotel Cactus in Lárnaka hat noch freie Zimmer. Um 4 Uhr setzen zwei Taxis uns dort ab.
Kurze Zeit später, gegen 10 Uhr, wanken wir, noch nicht wirklich ausgeruht, zum Frühstücksbüfett. Touristen scheint es hier außer uns nicht zu geben. Vielleich mussten die alle noch früher als wir aufstehen, um ihr Ausflugspensum an diesem Tag zu schaffen. Das üppige Frühstück nehmen wir zur Freude der Kinder am Pool ein. Einzig störend ist das gleißende Sonnenlicht, das auf unsere müden Augenlider drückt. Wenig später beginnt auch unser Tagesprogramm.
Zuerst suchen wir den ziemlich schmuddeligen Stadtstrand von Lárnaka auf und stürzen uns ins warme Mittelmeer. Danach können die Revolutionsferientage richtig beginnen.
Wir starten mit einem gemächlichen Stadtrundgang und besichtigen die kleine Moschee. Zuerst quälen wir uns über die enge Betonwendeltreppe zur Plattform des Minaretts, um die quirlige Stadt von oben zu betrachte. Der Priester, er bezeichnet sich ausdrücklich so, gibt uns eine kleine Privatführung. Nur noch vier bis fünf türkische Familien würden hier in der Umgebung wohnen, sagt er. Probleme gebe es hier inzwischen nicht mehr. Damit spielt er auf die Teilung der Insel in einen türkischen und einen griechischen Teil im Jahre 1974 an. Während des Zypernkonfliktes hatte es jahrelang blutige Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen gegeben. Dieser Konflikt wurde durch die Teilung mehr oder weniger eingefroren.
Der freundliche Priester empfiehlt uns für den Abend ein Restaurant, in dem wir Meze, einen gemischten Fleisch- oder Fischteller essen und uns einen Othello, seinen Lieblingswein, genehmigen sollen. Wir bedanken uns mit einer kleinen Spende für seine Führung durch die Moschee und befolgen am Abend seinen Rat. Der Wein schmeckt so gut, dass wir uns noch ein Fläschchen von dem guten Othello mit ins Hotel nehmen.
Am nächsten Morgen bringt man uns kurz vor dem Auschecken unseren Leihwagen vorbei, einen süßen Suzuki-Pickup-Jeep. Auf der Ladefläche sitzen sich je drei Personen unangeschnallt auf Holzbänken gegenüber. Im Führerhäuschen sitzt man angeschnallt auf richtigen Sitzen, was bei holprigen Feldwegen den Vorteil hat, dass man sich nicht irgendwo festklammern muss und Lendenwirbelsäule und Steißbein deutlich besser geschützt sind. Auf der Ladefläche kann man sich nur an seinen Mitfahrern festklammern. Wo noch Platz ist, verteilen wir nach einem gut durchdachten Plan unsere Gepäckstücke. Eric fährt. Das wird er während des gesamten Aufenthaltes auf Zypern sogar müssen, denn ich habe meinen internationalen Führerschein in Moskau vergessen. Wahrscheinlich hatte ich ihn ganz bewusst wegsortiert, weil wir ja eigentlich nach Batumi fliegen wollten. Für Batumi hätte der russische Führerschein gereicht. Und genau den habe ich jetzt dabei, scheue mich jedoch, ihn einzusetzen. Da Gisela es mit dem Rücken hat und damit quasi ein Abo auf den Beifahrersitz, blühen mir jetzt zur Strafe sieben Tage Pritsche. Ich tröste mich damit, dass ich mich nicht an den Linksverkehr gewöhnen muss.
Kaum haben wir es uns in und auf dem Fahrzeug gemütlich gemacht, müssen wir schon wieder absitzen. Gleich zwei touristische Highlights tauchen wenige Kilometer westlich von Lárnaka auf. Das erste ist ein unter Naturschutz stehender Salzsee, über den wir barfuß zur Hala Sultan Tekke Moschee wandern, wo die Tante von Mohammed begraben liegt. Auch hier ist augenblicklich ein freundlicher Priester zur Stelle. Er führt uns geduldig durch dieses bedeutende moslemische Heiligtum und anschließend durch die Gartenanlage, auf die ein Palmenhain und blühende Palisander ihre Schatten werfen. Wir bedanken uns mit einer kleinen Spende für seine Führung und spazieren über den Salzsee zurück zum Auto.
Noch wissen wir nicht, wo wir ein Quartier bekommen. Deshalb fahren wir zügig weiter die Küstenstraße Richtung Páfos, bis wir an einen Ort kommen, wo wir unbedingt Station machen wollen, am besten ohne weitere Bettenwechsel.
Unterwegs decken wir uns maßvoll am Rande von Obstplantagen mit Mandarinen, Orangen, Zitronen, Limonen, Pampelmusen und Granatäpfeln ein. Hinter Limassol taucht endlich das Ziel unserer heimlichen Sehnsucht auf. In einem winzigen, menschenleeren Ort, direkt am Strand mit einer romantischen Bucht, entdecken wir ein Plakat mit der Aufschrift: Appartements zu vermieten. Der Vermieter heißt Kotzias, der Ort Pissoúri. Gegen ein Restaurant mit solch einem Namen gäbe es eventuell gewisse Vorbehalte. Aber hier werden ja keine Nahrungsmittel feilgeboten. Also ziehen wir wenig später ein, in eine Parterrewohnung eines einstöckigen Doppelhauses, mit Terrasse und Meerblick. Der Strand liegt ungefähr zwanzig Meter vor uns. Weitere fünfzig Meter entfernt sehen wir ein Strandrestaurant. Eric und Gisela wohnen ein Doppelhaus weiter.
Unser Strand ist nicht schmuddelig, sondern sehr sauber. Vielleicht liegt das auch daran, dass hier kaum Menschen sind. Am Ende der etwa 500 Meter langen Bucht steht das einzige Hotel des Ortes, direkt am Meer mit eigener Strandzone. Jetzt fällt uns messerscharf ein, warum uns die ganze Insel so touristenarm erscheint. Es ist November. Und wir gehen jetzt baden.
Im Restaurant, genau genommen auf der Terrasse vor dem Restaurant, essen wir heute zur Abwechslung Meze. Othello hat der Wirt nicht auf der Karte. In Zypern muss man das, was man trinken möchte, dennoch nicht selbst mitbringen, stellen wir zufrieden fest.
Über die Innenräume des Lokals verstreut klebt eine Riesensammlung von Geldscheinen aus aller Welt. Wir steuern einen 5-DM-Schein und Rubelscheine bei. Der Wirt freut sich und befestigt sie an der Theke. Ein russischer Schein fehlte bisher in seiner Sammlung.