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2. Ausgleich ohne eigenes Forderungsrecht des Empfängers gegen den Dritten

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Erste Konstellation sind die sog. Überweisungsfälle, die abgekürzte Lieferung im Streckengeschäft (Leistungskette) ebenso wie die Einbaufälle der §§ 946, 94 Abs. 2 oder der unechte Vertrag zu Gunsten Dritter.

Beispiele:

Führt die Bank eine ihrem Girokunden zurechenbare Überweisung aus, erfüllt sie ausschließlich eine Verpflichtung aus ihrem Geschäftsbesorgungsvertrag mit diesem (vgl. §§ 675 Abs. 1, 665 bzw. § 675c ff. – sog. Deckungsverhältnis), dem wiederum die beim Empfänger vorzunehmende Gutschrift als Leistung allein im sog. Valutaverhältnis zwischen ihm (dem Auftraggeber der Überweisung) und dem Empfänger zuzurechnen ist (der Überweisung liegt im Valutaverhältnis z.B. eine Kaufpreiszahlung zugrunde).

Gleiches gilt für die einem Bauhandwerker etwa aufgrund seines Einkaufs (i.e. sein Deckungsverhältnis mit dem Baustofflieferanten) zurechenbare Lieferung von Baumaterial durch diesen Baustofflieferanten (als Dritten) unmittelbar auf die Baustelle beim Bauherrn; der Bauherr darf von einer Leistung seines Bauhandwerkers ausgehen, dem er nicht nur den Arbeitslohn, sondern auch die Materialkosten der Werkleistung schuldet (Valutaverhältnis).

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In diesen Fällen bestehen Leistungsverhältnisse je parallel zu Valuta- und Deckungsverhältnis, also der unmittelbaren schuldrechtlichen Beziehung zwischen dem Empfänger der Zahlung, Lieferung etc. und seinem Schuldner einerseits (Valutaverhältnis); der zahlende, liefernde etc. Dritte andererseits hat nur im Deckungsverhältnis, also gegenüber seinem Vertragspartner, im Rechtssinne geleistet.

Bei Nichtigkeitsgründen im einen oder anderen oder in beiden Verhältnissen erfolgt eine Rückabwicklung also jeweils nur in dem nichtigen Leistungsverhältnis (unabhängig davon, dass der Gegenstand der Leistung faktisch bei einem anderen Empfänger gelandet ist). Die Direktkondiktion zwischen Bank bzw. Lieferant und tatsächlichem Empfänger ist im vorgenannten Beispiel damit ausgeschlossen (mit Ausnahme von § 822, wenn also im Valutaverhältnis eine unentgeltliche Zuwendung vorliegen sollte).

Diesen Überweisungs-/Liefer-Fällen ist gemeinsam, dass der Schuldner (durch einen Überweisungsauftrag an die Bank, seine Bestellung bei Lieferanten etc.) den Dritten erkennbar dazu veranlasst hat, an ihn zu leisten, und zwar indem an seiner Statt (für ihn!) an seinen Gläubiger (Empfänger) gezahlt bzw. geliefert werden sollte. Damit wurde der Zuwendungszweck je parallel zu den zu erfüllenden Schuldverhältnissen gesetzt. Dieser kann sich späterhin auch nicht mehr dadurch ändern, dass neue Umstände oder Erkenntnisse hinzutreten, wie etwa Widerruf oder Änderung des Überweisungsauftrags,[41] Anfechtung der Bestellung oder auch gar bloßer Forderungsausfall mit dem Kaufpreis oder Aufwendungsersatz im Deckungsverhältnis.[42]

Die Zahlung oder Lieferung eines Dritten zur Tilgung fremder Verbindlichkeiten ist ein fremdes Geschäft, das der Dritte insoweit „für einen Schuldner“, also mit Fremdgeschäftsführungswillen ausgeführt hat, und zwar übernommen auf Basis eines Auftrags, einer Nebenabrede beim Kauf etc. Fällt solcher Auftrag etc. später weg, stehen Ausgleichsansprüche des Dritten nach § 683 – oder bei anfänglicher Verkennung etwa eines Widerrufs nach § 684 – neben solchen aus Leistungskondiktionen, aber je zwischen denselben Personen. Die Treuhandschaft ist und bleibt der Zuwendungszweck.

Ausnahmsweise anders sind diese Vorgänge zu beurteilen, wenn die Zwecksetzung des Schuldners in seinem Valutaverhältnis zu seinem Gläubiger oder die Veranlassung des Dritten zu dessen Zwecksetzung gegenüber dem Schuldner im Deckungsverhältnis nach dem objektiven Empfängerhorizont auf keiner billigenswerten Willensentschließung beruhen: Minderjährigkeit des Schuldners oder des Dritten, Abhandenkommen des Materials beim Lieferanten statt Lieferung durch ihn, Ausspähen von Bankdaten und Fälschung von Überweisungsaufträgen (Phishing) u.Ä. Es fehlt dann jedenfalls an einer Zwecksetzung jeweils in diesem Verhältnis.[43] Hier tritt keine Tilgungswirkung einer Fremdverbindlichkeit ein; der Minderjährige kann genausowenig eine Tilgung vornehmen wie erbitten; auch der Bauhandwerker könnte mit durch ihn gestohlenem Material (wegen § 935) nicht erfüllen; bei gefälschten Überweisungsaufträgen ist eine Tilgung schließlich mangels Verbindlichkeit nicht gewollt (es geht eher um „Diebstahl“, korrekt: Betrug). Der Dritte kann dann direkt beim Empfänger kondizieren: Ohne hypothetische Tilgungswirkung für den Schuldner liegt kein Geschäft für ihn vor, also keine Leistung in diesem (Deckungs-) Verhältnis.[44] Damit kann aber auch der Leistungsempfänger nicht davon ausgehen, dass eben dieser, sein Schuldner durch den Dritten an ihn geleistet habe und er deshalb nur seine Leistungskondiktion befürchten müsste. Der Empfänger ist also in diesen Ausnahmefällen im Verhältnis zum Dritten nicht schutzwürdig.

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